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v. Galen an Bertram (22. Januar 1939)

Der Text ist entnommen: Bischof Clemens August Graf von Galen – Akten, Briefe und Predigten 1933-1946 (2 Bde.). Bearbeitet von Peter Löffler. Matthias-Grünewald-Verlag Mainz 1988. ISBN 3-7867-1394-4 und trägt dort die Dokument-Nr. 268. Aus Gründen des Urheberrechtes sind alle Fußnoten getilgt.

Euer Eminenz

danke ich ehrerbietig für das gütige Schreiben vom 18. dieses Monats (C. A. 290). Ich bin nunmehr in der Lage, Euer Eminenz in Anlage I Abschrift zu überreichen von dem Ministerialerlaß vom 7. Dezember 1938, der wahrscheinlich dem Regierungspräsidium von Münster als Unterlage für seine bereits mitgeteilte Verfügung vom 12. Dezember 1938 gedient hat.

Der Ministerialerlaß vom 7. Dezember 1938 ist wohl aus Anlaß der Schwierigkeiten ergangen, die durch die zahlreichen Niederlegungserklärungen (hinsichtlich des Religionsunterrichts) infolge der Aktion des Herrn Wächtler von Mitte November entstanden waren. Gab es doch z. B. in Industrieorten der Erzdiözese Pader­born ganze »katholische« Schulsysteme, deren sämtliche Lehrpersonen auf das Kommando des Herrn Wächtler hin den Religionsunterricht niedergelegt hatten, so daß dieser Unterricht gänzlich ausfiel. Das hatte natürlich eine starke Erregung der Elternschaft verursacht, die dem Herrn Minister sehr ungelegen kam.

Aber die nächste Zweckbestimmung des Ministerialerlasses vom 7. Dezember 1938 kann uns m. E. unmöglich darüber hinwegtäuschen, daß mit diesem Erlaß (wie freilich auch schon in dem Erlaß vom 29. Januar 1938 für die höheren Schulen) grundsätzlich in den Inhalt des katholischen Religionsunterrichts ein­gegriffen wird, für dieses Mal zunächst nur durch das Verbot jener Unterrichtsstoffe, die »geeignet sind, die Einheitlichkeit der nationalsozialistischen Erziehung zu gefährden«; aber wenn wir, wenn das katholische Volk, wenn die Eltern das hinnehmen, was können wir grundsätzlich noch einwenden, wenn demnächst auch Lehrsätze, die mit der katholischen Lehre im Widerspruch stehen, unter dem Vorgeben, daß sie zur »Einheitlichkeit der nationalsozialistischen Erziehung« gehören, in den Lehrstoff des schulplanmäßigen ka­tholischen Religionsunterrichts eingefügt werden?

Das sächsische Ministerium für Volksbildung hat ja bereits in einer Verordnung vom 8. Dezember 1938, die im »Kirchlichen Amtsblatt für das Bistum Meißen« 1939 Nr. 1 auf Seite 2 abgedruckt ist, die positive For­mulierung gewählt: »Daher hat sich der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Weltanschauung zu befinden.«

Es ist kaum zu bezweifeln, daß auch in anderen Landesteilen ähnliche Anweisungen an die Schulen ergangen sind, die vielleicht als Geheimerlasse noch nicht zur Kenntnis der Ordinariate gekommen sind. Von Paderborn wurden mir derartige schon vorher ergangene Anweisungen mitgeteilt, aus denen ich mir erlaube, in Anlage II die bedeutsamsten Stellen Euer Eminenz vorzulegen.

Euer Eminenz gestatte ich mir, ehrerbietigst, aber auch in tiefster Herzensbedrängnis, meine Überzeugung zu unterbreiten, daß mit diesen Eingriffen in den Inhalt des in unseren Zwangsschulen der katholischen Jugend dargebotenen Religionsunterrichts der Vernichtungskampf gegen die katholische Kirche an einem Entscheidungspunkt angekommen ist, wo es wahrhaftig um »Sein oder Nichtsein« geht. Dank der katholischen Treue zahlreicher Lehrpersonen werden die schlimmsten Folgen der Wiederanwendung des Satzes »Cuius regio, illius et religio« in der Schule sich an vielen Stellen noch nicht gleich und für das katholische Volk erkennbar auswirken. So kann es dem Gegner gelingen, wenn wir schweigen, zunächst einmal die Hinnahme und Duldung der Anmaßung des Staates, über den Inhalt des Religionsunterrichts zu entscheiden, zu erreichen und ihre allmählige Auswirkung im Sinne Rosenbergs abzuwarten. Dieser hat ja schon in seiner Rede vor der Reichskulturkammer triumphierend festgestellt: »Weiterhin ist der Aufbau des Lehrplans in allen Kategorien unserer Schulen bereits derartig im anti-christlichjüdischen Sinne erfolgt, daß die aufwachsende Generation vor dem schwarzen Schwindel bewahrt bleibt.« Wenn es so weiter-geht, muß es nach und nach, vielleicht an einem Orte früher als an anderen, dahin kommen, daß christliche Eltern im Gewissen verpflichtet sind, ihre Kinder von der Schule fernzuhalten, die sie zum Abfall vom Glauben und zur Gottlosigkeit erzieht, und das vielleicht sogar in den Stunden eines sog. »katholischen Religionsunterrichtes«.

Müssen wir da nicht jetzt, im Augenblick, wo der dahin führende Weg beschritten wird, öffentlich warnen und auf die unausweichlich kommende Gefahr aufmerksam machen? Mit der Unterdrückung unserer Vereine, mit dem Verbot von Prozessionen und Wallfahrten, ja auch mit dem Aufhören der Staatsleistungen für die Kirche müßten wir uns schließlich abfinden. Aber mit einer Staatszwangsschule, die die Kinder katholischer Eltern zu Heiden macht? Ich meine, in Abwehr und Kampf dagegen müssen wir auch das Äußerste wagen. Und die Notwendigkeit dieser Abwehr und dieses Kampfes muß unserem katholischen Volk so klar sein und so lebendig vor Augen stehen, daß Tausende in die Bresche springen, wenn die ersten Führer in diesem Kampf fallen!

Wie können wir das erreichen?

Euer Eminenz wollen es gütig entschuldigen, wenn ich nicht in der Lage bin, genau formulierte und allumfassende Vorschläge zu machen. Ich muß offen sagen, daß ich auf einen Erfolg protestierender Eingaben nach Berlin, die gewiß nicht überflüssig sind, keine Hoffnung habe. Und dort geführte mündliche Verhandlungen enden, wie mir Exzellenz Berning noch vor wenigen Tagen sagte, regelmäßig mit dem Be­kenntnis, daß man die Beschwerden als berechtigt anerkenne, aber durch die Partei behindert sei, und auf deren Zustimmung zur Abstellung der Beschwerden nicht rechnen könne.

Sollten Euere Eminenz mit mir die oben geschilderten Vorgänge als Symptome eines entscheidenden Punk­tes in der Entwicklung des Vernichtungskampfes gegen die Kirche sehen und ein gemeinsames Erkennen und Bekämpfen der Gefahr durch den Gesamtepiskopat für erforderlich halten, so bitte ich ehrerbietigst zu erwägen, ob nicht bis zum üblichen Termin der Bischofskonferenz allzu viel Zeit verloren geht, und ob daher nicht für die allernächste Zeit eine Zusammenkunft, sei es des Gesamtepiskopats, sei es von Beauftragten der Kirchenprovinzen notwendig und zu ermöglichen ist.

In tiefster Ehrerbietung verharrt Euer Eminenz dankbar ergebener

+ Clemens August



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